Kursfahrten

 


  Jetzt wo sich unsere Schullaufbahn dem Ende nährt und wir zurück blicken auf das, was wir erlebt haben, sticht eine Woche ganz besonders aus dem verschwommenen Erinnerungsbrei aus Schulstunden, Pausen und Putzdiensten hervor, der fachkundige Leser wird es schon wissen. ich meine natürlich die Kursfahrten in 13.1. Ob in Prag, London oder an der italienischen Mittelmeerküste, überall wurden die Studienreisen zum vollen Erfolg, denn wir beschränkten uns – allen Vorurteilen zum Trotz - keinesfalls aufs Saufen oder am Strand rumlungern, nein, es wurden Tschechische KZs besucht, die englischen Kronjuwelen bestaunt und mit Herrn Paashaus bei Konditionstraining geschwitzt. So konnten wir unserer sich dem Ende zu neigenden Schullaufbahn noch einmal einen schönen Höhepunkt hinzufügen und uns gleichzeitig, auf eine einer Oberprima würdigen Weise, fortbilden...

  So oder ähnlich hätten sich wohl die Artikel zu unseren Studienfahrten gelesen, wenn, ja wenn wir nicht Opfer einer infamen Intrige geworden wären...

  ...Herr Dr. Wolfgang Sykorra, Schulleiter aus Leidenschaft, blickte zufrieden über seinen sauber aufgeräumten Schreibtisch, er nahm einen großen Schluck Kaffee aus seinem Pflichtbewusstester-Schulleiter-des-Sommers-Becher – der ihm einst persönlich von Schulministerin Behler für die wenigsten Stunden Hitzefrei verliehen wurde – und lächelte glücklich. Dazu hatte er auch allen Grund, denn soeben hatte ihn die frohe Botschaft erreicht, dass die Studienfahrten des nächsten Abitur-Jahrgangs endgültig gestrichen waren. Es wäre auch zu Dumm gewesen, wenn sie gefahren wären, dieser undisziplinierte Haufen von Säufern, lag doch der Fall „Flachköpper“ erst wenige Monate zurück. Bei dem Gedanken an den Vorfall und den Schaden, den der Ruf SEINER Schule hätte nehmen können, verfinsterte sich seine Miene, doch nur kurz, denn zukünftiges Übel schien abgewendet...

  Aber leider folgt auf jeden Jahrgang Abiturienten ein weiterer, und so stand sich der wackere Streiter für das Schulrecht nur wenige Monate später erneut einer Stufe gegenüber, die durchaus entschlossen schien die Tradition einer Studienfahrt – allein dieser Begriff lies Wut in ihm aufkommen, denn es handelte sich bei diesen Fahrten doch immer nur um Sauftouren – trotz einjähriger Pause wieder aufzunehmen. Sofort zitierte er Frau Alsleben und Herrn Neugebauer, die Beauftragten für diese zum Problem gewordenen Schüler, herbei, um mit ihnen eine Strategie zur Rettung der Schule auszuarbeiten. Schnell war eine Lösung gefunden, man wollte sich auf das fehlende Engagement und die Uneinigkeit von rund 90 Schülerinnen und Schülern verlassen. So entsandte der gewitzte Schulleiter – nun wieder mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen - die beiden Stufenleiter zur nächsten Stufenversammlung mit dem Auftrag, die Schüler zur Planung der Studienfahrten, unter strengster Berücksichtigung des Lehrcharakters der Fahrt, aufzufordern.

  Fest glaubte er an seinen Sieg, doch oh weh, wie groß war der Schrecken als die Schüler begannen, eifrig Prospekte zu wälzen; und schon wenig später lagen ausgearbeitet Vorschläge auf seinem Schreibtisch, und verschandelten den ordentlichen Gesamteindruck seiner Arbeitsfläche. Sofort begann er nach Lücken zu forschen, um die Anträge mit der gebotenen Wucht abzuschmettern. Zu seinem Leidwesen jedoch waren keine Ballermann-Reisen darunter, und sogar an dem „Strandurlaub“ des Sport-LKs war, wider erwarten, nichts auszusetzen. So wurden die Stufenleiter erneut in sein Büro zitiert, um einen Ausweg aus der scheinbar ausweglosen Lage zu finden, und die Schule vor dem Sicheren Aus zu bewahren.

  Hitzig wurde diskutiert, Lösungsansätze gemacht und wieder verworfen, und die Niederlage der wackeren Streiter schien unausweichlich. Doch der Zufall wollte, dass Herr Neugebauer durch eine Unachtsamkeit des Schulleiters Lieblingsbecher vom Schreibtisch warf, dessen Zerstörung nur durch einen ebenso geistesgegenwärtigen wie athletischen Hechtsprung von Frau Alsleben verhindert werden konnte (diese Rettungstat brachte ihr im Übrigen die baldige Beförderung ein – aber das ist eine andere Geschichte). Als sie da  nun lang gestreckt auf dem Boden lag, fiel ihr Blick unter den Schrank, und auf eine längst vergessene, mit Goldschnitt versehene Ausgabe des Schulrechts – an Herrn Dr. Sykorra verliehen für die strikte Verbarrikadierung des Haupteingangs. Schnell war in dieser Geißel aller Schüler auch eine Lösung für das Problem gefunden. Gab es da doch die wunderbare 10% Klausel, die Studienfahrten generell Verbot, wenn sich mindestens 10% der betroffenen Schüler gegen diese aussprachen. Schon beglückwünschten die Stufenleiter ihren Chef zu diesem Fund, doch war dieser nach dem scheitern des letzten Plans misstrauisch geworden, und es konnte als keinesfalls sicher erachtet werden, dass genug Schüler bei der anstehenden Abstimmung mit „nein“ stimmen würde. Doch er wäre nicht seit so langer Zeit Schulleiter gewesen, wenn ihm nicht eine Modifizierung des Plans eingefallen wäre. Der Schlüssel zum Erfolg waren die SEKUNDÄR TUGENDEN. Diese von ihm heiß geliebten Wörter, die Höflichkeit, Sauberkeit, Fleiß und nicht zuletzt Pünktlichkeit auf so astethische und zugleich simple Weise zu vereinen wussten. Denn was  wäre wenn man die geplante Abstimmung in nur zwei Tagen abwickeln würde? Wenn man doch auf Papiergeld oft Monate warten musste, dann sollte  doch die fristgerechte Abgabe innerhalb von nur zwei Tagen für die meisten Schüler ein nahezu unmögliches Unterfangen sein. Dieser Effekt konnte noch verstärkt werden, wenn man die Zettel an einem Tag austeilen würde, an dem ohnehin viele Schüler ausschließlich am MGB unterrichtet wurden.

  Darauf schickte der wohl fähigste aller Schulleiter seine Untergebenen zurück zu den Schülern, um den diabolischen Plan in die Tat um zusetzten, und sein zufriedenes Lächeln sollte ihm so schnell nicht wieder vergehen...

Diese Geschichte basiert natürlich nur auf Gerüchten und enttäuschter Schülerphantasie, aber so könnte es sich zugetragen haben und vielleicht reichen die Ranken dieser Kabale noch weit höher, vielleicht bis zur Bildungsministerin? Vielleicht war uns aufgrund der Pisa-Studie eine „Abschlussfahrt“ von höchster Stelle nicht gegönnt? Beweisen lässt sich dies alles freilich nicht, und so gilt auch hier der Alte Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo!“ und wir „müssen“ uns die Schuld für den Wegfall der Studienfahrten wohl selber geben, doch ein bitterer Beigeschmack bleibt beim Gedanken an die Rolle, die Stufen- und Schulleiter hierbei spielten...